Neuere Forschungen belegen: Parkinson hat seinen Ursprung im Darm

Veröffentlicht am: Februar 29, 2024
Dr. med. Wolfgang Bachmann
Dr. med. Wolfgang Bachmann

Allgemeinmediziner

Der Darm ist ein Schlüsselfaktor für unseren allgemeinen Gesundheitszustand und wirkt sich entscheidend auf das Risiko für chronische Erkrankungen wie Herzkrankheiten, Fettleibigkeit, Schlafprobleme und Depressionen aus. 

Bei Parkinson handelt es sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Gängige Symptome sind Zittern und Gleichgewichtsstörungen. Die Erkrankung ist idiopathisch, das bedeutet, dass sie keine (bislang) bekannte Ursache hat.

Einige Wissenschaftler veröffentlichten ihre Forschungsergebnisse im Fachmagazin „Neuron“. Sie sind der Ansicht, dass Parkinson seinen Ursprung in Darmzellen nehmen kann und über den Vagusnerv zum Gehirn wandert. Der Vagusnerv ist der zehnte Hirnnerv, der vom Hirnstamm bis zum Bauch reicht.

Sollte dies der Fall sein, eröffnen sich ganz neue Wege der Prävention und Behandlung, angefangen mit einer Stärkung der Darmgesundheit. Weitere Faktoren, die zum Entstehen einer Parkinson-Erkrankung beitragen, dürfen natürlich nicht unberücksichtigt bleiben.

Inhalt

Proteine, die mit Parkinson in Verbindung stehen, wandern vom Darm zum Gehirn

Alpha-Synuclein ist ein Protein, das natürlich im menschlichen Körper vorhanden ist. Werden Proteine falsch gefaltet, können sie sich verklumpen und Nervenzellen schädigen. In der Folge entstehen sogenannte Lewy-Körper – Bereiche toter Hirnsubstanz. Diese führen zu Parkinson-Symptomen wie Bewegungs- und Sprachstörungen.

Im Jahr 2003 deutete die Forschung des deutschen Neuroanalytikers Dr. Heiko Braak erstmals darauf hin, dass Parkinson seinen Ursprung im Magen-Darm-Trakt haben könnte.

Die vorgestellte Studie wurde an Mäusen durchgeführt und liefert „den ersten experimentellen Beweis dafür, dass Parkinson im Darm beginnt und sich über den Vagusnerv verbreitet“, erläutert Studienautor Dr. Ted Dawson, Professor für Neurologie an der Johns Hopkins University School of Medicine, gegenüber dem Guardian.

Forscher injizierten falsch gefaltetes Alpha-Synuclein in den Darm gesunder Mäuse und verfolgten dann seinen Weg durch den Körper. Einen Monat später konnte es im Hirnstamm nachgewiesen werden, nach drei Monaten hatte es die Amygdala und das Mittelhirn erreicht. Innerhalb von sieben bis zehn Monaten war es in weiteren Regionen des Gehirns aufgetaucht.

Als nächstes injizierten die Forscher die falsch gefalteten Proteine in den Darm von Mäusen mit einem abgetrennten Vagusnerv. Nach sieben Monaten waren im Gehirn der Mäuse keine Anzeichen von Zelltod vorhanden. Offensichtlich konnten die Proteine nicht zum Gehirn vordringen. Die Studie untersuchte auch Verhaltensänderungen in den einzelnen Mäusegruppen, beispielsweise ihre Nestbaufähigkeiten.

Nach sieben Monaten zeigte sich, dass die Mäuse, die die falsch gefalteten Proteine erhalten hatten und über einen intakten Vagusnerv verfügten, kleinere, unordentlichere Nester bauten – ein Zeichen für Probleme mit der Bewegungskontrolle. Mäuse, die die Injektion nicht erhielten, sowie die Mäuse, die zwar die Injektion erhielten, deren Vagusnerv jedoch abgetrennt war, erzielten bei Nestbauaktivitäten konstant höhere Werte.

Mäuse mit intaktem Vagusnerv, die die Proteine erhielten, zeigten Gedächtnisschwierigkeiten und Ängste. Diese Beschwerden konnten die Wissenschaftler bei Mäusen in Kontrollgruppen nicht feststellen. „Unsere Studie unterstützt die Braak-Hypothese in der Genese der idiopathischen Parkinson-Erkrankung“, schlussfolgerten die Forscher.

Dawson fügte gegenüber „Medical News Today“ hinzu: „Bei diesem Modell hatte die Erkrankung ihren Ursprung im Darm. Somit können Wissenschaftler das gesamte Spektrum und den zeitlichen Verlauf der Pathogenese von Parkinson untersuchen“ und möglicherweise Wege finden, mit denen sich ein Fortschreiten der Symptome aufhalten lässt.

Ein beschädigter Vagusnerv geht mit einem 40 Prozent geringerem Risiko für Parkinson einher

Weitere Belege dafür, dass Parkinson seinen Ursprung im Darm hat und über den Vagusnerv ins Gehirn gelangen kann, lieferte eine Studie mit Probanden, denen zuvor ein Teil des Vagusnervs entnommen wurde. Dies wird oft bei Patienten mit Geschwüren durchgeführt, um die Menge der Säuresekretion zu reduzieren und das Risiko für Magengeschwüre zu verringern.

Unter Verwendung des nationalen Registers in Schweden verglichen Forscher die Daten von 9.430 Personen mit einer Vagotomie mit den Daten von mehr als 377.200 Personen, die diese Operation nicht hatten. Die Wissenschaftler fanden zwar keinen Unterschied in der Gesamtzahl der Personen, die im Laufe der Zeit an Parkinson erkrankten, stießen nach weiteren Auswertungen jedoch auf einen interessanten Zusammenhang.

Menschen mit einer Stammvagotomie – bei der der Stamm des Nervs im Gegensatz zur selektiven Vagotomie vollständig entfernt wurde – wiesen ein um 40 Prozent geringeres Risiko auf, an Parkinson zu erkranken.

Darmbakterien können die Ansammlung fehlgefalteter Proteine verstärken

Weitere im Jahr 2016 veröffentlichte Forschungsarbeiten stellten ebenfalls einen funktionellen Zusammenhang zwischen spezifischen Darmbakterien und dem Ausbruch von Parkinson her. Anhand von Mäusen, bei denen eine Überexpression von Alpha-Synuclein initiiert wurde, fanden die Forscher heraus, dass „die Darmmikrobenflora für motorische Defizite, Mikroglia-Aktivierung und αSyn[Protein α-Synuclein] Pathologie erforderlich ist.“

Darüber hinaus kamen die Forscher zu folgendem Schluss: „Die antibiotische Behandlung verbessert sich, während die mikrobielle Rekolonisation die Pathophysiologie bei erwachsenen Tieren fördert. Das deutet darauf hin, dass die postnatale Signalübertragung zwischen Darm und Gehirn zu Modulationen der Krankheit führt.“ Auch andere Verbindungen wurden in der Studie gefunden, einschließlich:

  • Orale Verabreichung von mikrobiellen Stoffwechselprodukten an keimfreie Mäuse förderte Neuroinflammation und motorische Symptome.
  • Bei Mäusekolonien, bei denen eine Überexpression von Alpha-Synuclein mit Darmbakterien von Parkinson-Patienten ausgelöst wurde, erhöhten sich die körperlichen Beeinträchtigungen im Vergleich zu Mäusen die Bakterien von gesunden Menschen erhalten hatten.

Was heißt das?

Die Forscher kamen zu folgendem Schluss: „Diese Ergebnisse zeigen, dass Darmbakterien Bewegungsstörungen bei Mäusen regulieren können und deuten darauf hin, dass Veränderungen im menschlichen Mikrobiom ein Risikofaktor für Parkinson darstellen.“ Diese Verbindung ergibt durchaus Sinn, da Symptome im Verdauungstrakt wie Verstopfung bereits Jahrzehnte vor anderen Parkinson-Symptomen auftreten.

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Pestizide stehen außerdem mit Parkinson in Verbindung

Der Darm ist ein faszinierender Forschungsansatz, der in Bezug zu Parkinson unbedingt weiter verfolgt werden sollte. Andere Faktoren spielen wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle, einschließlich der Belastung durch externe Toxine wie Pestizide. Eine Pestizidbelastung steht in enger Verbindung zu Parkinson und kann das Risiko in einigen Fällen um 80 Prozent erhöhen.

Es wird angenommen, dass Pestizide zum dopaminergen Neuronentod beitragen können. Bereits eine geringe Belastung kann zu Mutationen führen, die Parkinson verursachen. In einer Studie setzten Forscher dopaminproduzierende Neuronen zwei Pestiziden aus. Dadurch wurde verhindert, dass sich die Mitochondrien richtig bewegten, was zu einem Energieverlust innerhalb der Neuronen führte.

„Menschen, die diesen Chemikalien ausgesetzt sind, weisen ein um etwa 250 Prozent höheres Risiko für Parkinson auf – im Gegensatz zur übrigen Bevölkerung“, berichtet Studienautor Scott Ryan von der University of Guelph in einer Pressemitteilung.

„Bislang basierte der festgestellte Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson in erster Linie auf Tierversuchen sowie epidemiologischen Untersuchungen, die zeigten, dass für Landwirte und andere Personen, die landwirtschaftlichen Chemikalien ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko besteht. Wir sind einer der ersten, die untersucht haben, was in menschlichen Zellen passiert.“

Darüber hinaus können Menschen mit einer genetischen Veranlagung für Parkinson stärker von der Exposition gegenüber Pestiziden betroffen sein und durch niedrigere Werte gefährdet werden. „Menschen mit einer Prädisposition für Parkinson sind von dieser geringen Belastung durch landwirtschaftliche Chemikalien stärker betroffen und entwickeln die Krankheit daher eher“, erläutert Ryan. „Das ist einer der Gründe, warum einige Menschen in der Nähe von landwirtschaftlichen Gebieten einem höheren Risiko ausgesetzt sind.“

Tipps zur Senkung des Parkinson-Risikos

Vermeiden Sie die Verwendung von Pestiziden, indem Sie sie nicht in Ihrem Haus oder Garten einsetzen und so viel wie möglich biologische oder biologisch-dynamisch angebaute Lebensmittel verzehren. Dadurch können Sie Ihr eigenes Parkinson-Risiko senken. Verbessern Sie Ihre Darmgesundheit mit den folgenden Tipps:

Empfohlen:

1. Fermentierte Lebensmittel

Essen Sie reichlich fermentierte Lebensmittel – gesunde Produkte sind Lassi, fermentierter Kefir aus Weidemilch, Natto (fermentierte Soja) sowie fermentiertes Gemüse.

2. Probiotika

Nehmen Sie probiotische Ergänzungspräparate – Auch wenn Sie kein großer Befürworter der Einnahme vieler Ergänzungspräparate sind, stellen Probiotika eine Ausnahme dar, vor allem wenn Sie nicht regelmäßig fermentierte Lebensmittel verzehren.

3. Ballaststoffe

Steigern Sie Ihre Zufuhr an löslichen und unlöslichen Ballaststoffen und konzentrieren Sie sich auf Gemüse, Nüsse und Samen, einschließlich gekeimter Samen.

4. Machen Sie Ihre Hände schmutzig

Machen Sie sich im Garten die Hände schmutzig – Die Exposition gegenüber Bakterien und Viren kann helfen, Ihr Immunsystem zu stärken und eine lang anhaltende Immunität gegen Krankheiten zu gewährleisten.

5. Lüften

Lüften Sie! – Wissenschaftliche Forschungen zeigen, dass sich durch Lüften der natürliche Luftstrom sowie die Vielfalt und Gesundheit der Mikroben im Haus verbessern lässt, was wiederum Ihrer Gesundheit zugutekommt.

6. Geschirr von Hand spülen

Spülen Sie Ihr Geschirr von Hand statt in der Spülmaschine. – Forschungen haben ergeben, dass das Spülen des Geschirrs von Hand mehr Bakterien auf dem Geschirr hinterlässt als Geschirrspüler. Das Essen von diesen weniger sterilen Tellern kann Ihr Allergierisiko verringern, indem es Ihr Immunsystem stimuliert.

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Zu vermeiden:

1. Antibiotika

Antibiotika, es sei denn, ein Einsatz ist absolut notwendig. Wenn Sie Antibiotika verwenden, achten Sie darauf, dass Sie Ihren Darm mit fermentierten Lebensmitteln und/oder einem hochwertigen probiotischen Nahrungsergänzungsmittel mit guten Bakterien besiedeln.

2. Konventionelles Fleisch

Herkömmlich angebautes Fleisch und andere tierische Produkte, da solche Tiere routinemäßig niedrig dosierte Antibiotika erhalten.

3. Chloriertes Wasser

Chloriertes und/oder fluoridiertes Wasser – insbesondere beim Baden oder Duschen, was sogar schlechter ist als derartiges Wasser zu trinken.

4. Fertigprodukte

Verarbeitete Lebensmittel enthalten meist viel Zucker, Salz und künstliche Zusatzstoffe. Raffinierter Weizen und Zucker beispielsweise wirken sich auf den Darm negativ aus.

  • Übermäßiger Zucker und ansonsten leere Kalorien nähren pathogene Bakterien.
  • Lebensmittelemulgatoren wie Polysorbat 80, Lecithin, Carrageen, Polyglycerine und Xanthangummi scheinen ebenfalls eine negative Auswirkung auf die Darmflora zu haben.
  • Sofern diese Lebensmittel nicht zu 100 Prozent Bio sind, können sie auch genveränderte Inhaltstoffe enthalten, die in der Regel stark mit Pestiziden wie Glyphosat verunreinigt sind.
  • Künstliche Süßstoffe, da sie Darmbakterien auf ungünstige Weise verändern

5. Landwirtschaftliche Agrarchemikalien

Insbesondere Glyphosat (Roundup) ist ein bekanntes Antibiotikum und hat das Potenzial, viele nützlichen Darmbakterien abzutöten, wenn Sie damit verunreinigte Lebensmittel essen.

6. Antibakterielle Seife

Da sie sowohl gute als auch schlechte Bakterien abtötet und zur Entwicklung der Antibiotikaresistenz beiträgt

 

Quellen (in englischer Sprache):

Braak, H., Rüb, U., Gai, W. P. & Del Tredici, K. (2003, May). Idiopathic Parkinson's disease: possible routes by which vulnerable neuronal types may be subject to neuroinvasion by an unknown pathogen. Journal of Neural Transmission, 110(5):517-36, doi: 10.1007/s00702-002-0808-2

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